Das ist nur Wasser. (wort-for-wort: Nur Wasser ist) Etwa das habe ich heute morgen gedacht, als ich aufgestanden bin. Gleichzeitig einer der ersten Sätze aus meinem Bulgarisch-Sprachkurs-Buch. Vielleicht habe ich auch eher gedacht: „hoffentlich ist das nur Wasser“. Es war nämlich auf meinem Fußboden und unter meinem Bett – und offenbar irgendwo aus der Fußleiste (?!) ausgetreten… Naja, nachdem der Schock überstanden war und das Wasser mit Klopapier aufgewischt (ich sollte mir mal Küchentücher kaufen – da kann man dann auch Geschirr mit abtrocknen ;-)) dachte ich mir: Kann man jetzt auch nix machen. Inzwischen hat die Домакин/Domakin, die Hausmeisterin, danach geschaut. Keine Ahnung, was da ist… (an dieser Stelle kann sich übrigens jeder selbst überlegen, mit welcher Eselsbrücke man sich das Wort für HausmeisterIn gut merken kann….).
Es war allerdings etwas komisch. Als ich der zuständlichen Koordinatorin dann erzählte, dass bei mir Wasser im Zimmer ist, hat sie direkt organisiert, dass jemand schaut und telefoniert und ist mit mir durch die Uni gegangen in ein Büro für die Wohnheime. Sie hat gesagt es tut ihr so leid und sie hätten mir ja extra das schönste Zimmer gegeben – und mir war das ganze dann ziemlich unangenehm. Ich konnte ihr glaube ich nicht wirklich glaubhaft versichern, dass ich das nicht so schlimm finde aber es nur melden wollte (weil das z.B. für den Holzfußboden vielleicht uncool ist..) aber ein ungutes Gefühl blieb mir trotzdem. Es ist einfach schwierig, glaube ich, etwas zu kritisieren, ohne gleich gefühlte Generalkritik auszuüben. Ob ich mich daran gewöhnen muss, oder noch lerne es richtig zu sagen… Schwierig.
Wollte mich dann – nach dem Bett abbauen um zu schauen, wo das Wasser herkommt – rasieren und duschen und das Wasser war wunderbar warm. :-) Das war gestern und vorgestern dann doch nicht immer so – wann genau das Wasser warm ist, habe ich noch nicht herausgefunden. Heute wars aber schon direkt nach dem anmachen warm. Am Sonntag Abend ist es auch nach 5 Minuten nur ein klein bisschen wärmer als kalt geworden… Naja. Es gibt schlimmeres – vielleicht kann man sich hier schonmal auf die von den Gegnern der Erneuerbaren Energien postulierten Komforteinbußen einstellen. Duschen nur wenn der Wind weht. Oder so.
Heute Mittag habe ich mich mit meinem Erasmus-Betreuer zum Mittagessen in der Kantine getroffen. Echt ein sehr netter und bemühter Typ. Und gleichzeitig toll, mal wieder mit jemand ’ne Weile zu reden – wenn auch ’nur‘ auf englisch. Die Kantine ist übrigens der Hammer – ziemlich genau so, wie ich sie mir vorgestellt hab. Und vermutlich so, wie sich jeder von Euch eine Kantine in einer Bulgarischen, technischen Universität vorstellt. Ich habe allerdings keine Bilder gemacht, vielleicht traue ich mich ein andermal. Skuril war aber alle mal, dass man wie in vielen Mensen üblich eine elektronische Karte aufladen musste. Dies wurde aber Manuell gemacht: Anstatt einem Automaten gab es jemand, der das Geld kassiert und per Hand im Computer die Karte aufgeladen hat. Hat aber den Vorteil, dass es keine Geldscheinannahme gibt, die nie funktioniert (wie das ja bei deutschen Kantinenautomaten so üblich ist, die Mainova-Kantine lässt grüßen…). Ich weiss leider nicht, was das Essen kostet (der Betreuer hat mich netterweise eingeladen :-)) – aber es wird nicht so teuer sein. Krautsalat mit Mayonese oder Ketchup als Dressing wird aber vermutlich noch eine Weile gewöhnungsbedürftig bleiben. Es gibt aber auch Öl (und den Essig dazu aufm Tisch, was ich nicht wusste, daher habe ich auch zur Mayo gegriffen…). Generell scheint man Ketchup und Mayonese sehr zu mögen und auf alles zu machen. Pizza mit ordentlich Ketchup ist ein wirklich beliebtes Essen, so scheint es…
Insgesamt wirkte es in der Mensa dafür gemütlicher als bei uns, es gibt Vorhänge, Tischdecken (zwar Wachstischdecken…) und wer etwas trinken will, der kann sich eine große Flasche Wasser kaufen – vermutlich für einen Bruchteil dessen, was bei uns in der Mensa das Wasser kostet (FFM: 0.5 l Selters 1,10 Euro….). Auch wenn alles etwas ungewöhnlich und angerostet, provisorisch oder sonst irgendwie manchmal etwas…gammelig wirkte (und ziemlich un-deutsch) – irgendwie mag ich dieses Flair.
Gerade habe ich beim Kaffeeholen (der hier 50 Stotinki, also 25 cent kostet, nicht 1,40 Euro, wie auf dem Riedberg. Und besser ist….) mal das Zahlenlernen von gestern ausprobiert: Es heisst едно кафе/edno Kafe aber една кола/edna Cola. (ich bin mir aber nicht sicher, ob man Cola transkribiert – und wenn ja, ob so…) Die Geschlechter von Dingen sind genauso kompliziert wie im Deutschen. Und ich merke, wie einfach das im Englischen gelöst ist….
Es scheint im Moment auch mal die Sonne – das macht alles echt gleich viel schöner. Und der Blick aus dem Kafee in den Hof zwischen Блок 1 und Блок 2 ist ganz nett. Und wo wir gerade bei Blick sind: Gestern konnte ich mal den ganzen Berg sehen :-)
Gleich werde ich mal in den großen Supermarkt gehen, den es in Studenski Grad gibt – dort soll es auch einen Handyladen geben.
P.S.: Wenn ich ab morgen Internet zuhause habe (sitze, wiegesagt, im Cafe), werde ich auch mal die Fehler in den anderen Blogeinträgen korrigieren.
P.P.S.: Freue mich sehr über Feedback. (danke an der Stelle für die E-Mails :-)) Ich weiss nicht, wie und ob die Kommentarfunktion hier funzt. Aber ab Morgen sollte ich da auch mal schauen ;)
Hallo Philipp,
hier der Artikel vielleicht interessant:
When Boyko met Mehmet
Feb 4th 2010 | SOFIA
From The Economist print edition
Politicians stoke ethnic animosities, but soap operas defuse them
BASHING Bulgaria’s 750,000-strong Turkish minority (almost 10% of the total population of 7.6m) is a favourite cause of Ataka, a xenophobic party that won 12% of the vote in the 2009 European election. Last year it demanded the scrapping of Turkish-language news bulletins on public radio and television. In December the idea gained surprising support from the prime minister, Boyko Borisov. Ataka’s demand for a referendum would defuse the issue, he claimed, somewhat bafflingly. Campaigners geared up for a fight and opposition politicians said they would raise the issue in the European Parliament. Mr Borisov has since backed down, saying he will leave it for others to decide.
The Turkish TV and radio slots are guaranteed by law, but the outcome of a referendum, if one were held, is not in doubt. Most Bulgarians see the country’s Turkish legacy (both linguistic and ethnic) as the unwelcome consequence of colonial oppression. The party representing Bulgaria’s Turkish minority, a fixture in most coalition governments since 1989, is widely criticised by anti-corruption campaigners. Occasional chauvinist remarks by politicians in Ankara hit a raw nerve. The Bulgarians still want billions in compensation for deportations carried out in 1913. The Turks remember more recent deportations by the Bulgarians, in the late 1980s.
Few of Bulgaria’s ethnic Turks hear about any of these things on news bulletins supposedly aired for their benefit. Along with much of the rest of the population, they are watching commercial television, which uses the same slots to screen wildly popular Turkish-produced soap operas. Some Bulgarian families now even name their children after characters in such sugary epics as a 100-episode love story of Mehmet and Indji. Travel agents report booming business from Bulgarian tourists who want to visit the restaurants, villas and tryst spots frequented by the star-crossed duo.
About 1.4m Bulgarians travelled to Turkey last year. Such visits may be a better guide to the future than Ataka’s populism. Mr Borisov’s own trip to Ankara at the end of January to see the Turkish prime minister, Recep Tayyip Erdogan, brought many smiles and much talk of a “new beginning” in relations. The two countries have agreed to establish new energy and transport links, which could lessen Bulgaria’s dependence on imported Russian gas. Bulgarians may find that it is easier to befriend Turks in Turkey than at home.
Danke! Interessanter Artikel.
Für diesen leicht angegammelten Look habe ich den Begriff „shittiness chic“ gefunden, siehe auch:
http://suxi.blogspot.com/2009/10/shittiness-chic.html
Gruß aus Varna!
Ivan
Ah, interessant! „shitiness chic“ klingt zwar schon irgendwie hart, aber ich glaube es beschreibt es ganz gut.
Den Begriff des „Freiluftmuseums“ hatte ich auch schon ein paar mal im Kopf – und mich gefragt, wie die Leute, die hier leben das erleben, was ich irgendwie „cool“ finde. Wenn ich mir aber z.B. die Uni anschaue, dann herrscht auch hier in Bulgarien eher ein falsches Bild von Deutschland. Das Studentenwohnheim in Frankfurt-Ginnheim (hat da einer der Mitleser vielleicht ein Bild von Innen? http://is.gd/89RBB ) ist auch nicht schöner oder moderner. Erst recht nicht, als die renovierten Blöcke 1 und 2. Und wenn man sich die Relation der Preise anschaut: Hier 50 Euro, in Frankfurt im alten Wohnheim 250 Euro, im neuen Wohnheim gar 370 Euro im Monat….
Und die Gebäude der Mathematik und ehemals Physik in Frankfurt Bockenheim sehen ebenso aus, wie hier. Der Erasmus-Betreuer aber sagte direkt, die Gebäude der TU seien im Gegensatz zu Deutschland sehr alt und hässlich – er selbst war aber noch nie dort…
Ich habe hier aber eher das Gefühl, es wird versucht, mit dem was man hat, das Beste zu machen. Es funktioniert einfach trotzdem und dieser „shittiness chick“ wirkt einfach irgendwie „ehrlich“. Zumindest ist das mein Eindruck bisher – wirklich lange bin ich ja allerdings noch nicht da….